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Ingrid Facchinelli: 70er und 80er Jahre, Umriss der Frauenbewegung

18.11.2005, Andreina 2005
Im Gegensatz zur Ersten Frauenbewegung, der es zunächst um Verbesserungen in zivilrechtlichen Fragen ging sowie darum, die rechtliche Unmündigkeit der Frau zu beseitigen, rückte die Zweite Frauenbewegung der frühen 70er Jahre die Frauen selbst in den Mittelpunkt: Erfahrungen des Frauseins wurden thematisiert.

Die Selbstbestimmtheit der Frau vor allem in Bezug auf Sexualität, Mutterschaft, Abtreibung werden vorrangige Themen. Angeregt von der sozialen Auf- und Ausbruchstimmung der 68er und der StudentInnenbewegung begannen Frauen sich in Gruppen zu organisieren. Neben politischen, gewerkschaftlichen und kirchlichen entstand auch eine Vielzahl von autonomen Frauengruppen.
In diesen Selbsterfahrungsgruppen wurden die eigenen Probleme - oft zum allerersten Mal - in Worte gefasst, ausgesprochen und Strategien für den politischen wie für den täglichen persönlichen Kampf um die eigenen Rechte diskutiert. „Selbstbestimmung“ war das große Schlagwort, dem mit öffentlichen Aktionen Nachdruck verliehen wurde. Die Frauen waren einerseits bestrebt, in allen Lebensbereichen Raum und Anerkennung für die weibliche Sicht- und Lebensweise zu gewinnen, andererseits wurden bestehende diskriminierende Hierarchien zwischen den Geschlechtern aufgezeigt und hinterfragt, mit dem Ziel, diese zu durchbrechen.
Die Entdeckung, dass die privaten und individuellen Probleme sich ähnelten, bildete die Basis für die Solidarität in der Gruppe und mit Frauen insgesamt und ermöglichte das Hinterfragen der gesellschaftlichen Bedingungen. Der Satz "Das Private ist politisch" wurde ein zentraler Leitgedanke der Zweiten Frauenbewegung. Die Folgerung aus dieser Erkenntnis war, ausgehend vom eigenen Empfinden und Erleben, dass Frauen Anspruch auf die Durchsetzung ihrer Anliegen erhoben. Selbsterfahrung und Forderung nach öffentlich rechtlicher Anerkennung waren nicht mehr voneinander zu trennen. Die Frauen erhoben ihre politische Stimme, gingen mit ihren Anliegen auf die Straße und erreichten beachtliche öffentliche Erfolge.

Auch in Italien wurde eine Reihe von wesentlichen Gesetzen umgesetzt, die zur weiblichen Selbstbestimmung beitrugen: die Freigabe von Verhütungsmitteln, das Familiengesetz, das Scheidungsgesetz, das Gesetz gegen Gewalt an Frauen, die Einrichtung von Familienberatungsstellen wurde gesetzlich festgelegt, der Schwangerschaftsabbruch legalisiert.
Bei den öffentlichen Kundgebungen ging es aber nicht nur um die Einführung von Gesetzen, sondern auch darum, dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung Ausdruck zu verleihen. Die von den Frauen gestellten Forderungen erschütterten das patriarchale System und zeigten dadurch neue Probleme und Schwierigkeiten auf. Diese neuen Problematiken waren wiederum Themenbereiche, mit denen sich die Frauenkollektive auseinander setzten und die zu neuen Standortbestimmungen des „Weiblichen“ beitrugen.

In verschiedenen Städten Südtirols gab es eine Reihe von Frauengruppen, die aktiv die Selbsterfahrung – „l’autocoscienza“ – praktizierten. Studentinnen und Studienabgängerinnen brachten ihre Erfahrungen aus größeren Städten mit und wurden vielfach Aktivistinnen in den verschiedenen Gruppen. Diese Kollektive werden heute als wesentlicher Bestandteil von Südtirols Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre wahrgenommen. Allen voran stand die Gruppe Kollontaj, deren Name für das Programm stand: Aleksandra Kollontaj war die erste Frau, die 1917 dem revolutionären sowjetischen Kabinett angehörte und 1919 den Vorsitz der Frauenabteilung der Partei übernahm. Als Volkskommissarin für soziale Fürsorge war Kollontaj verantwortlich für die kurzzeitige Lockerung des Eherechts und für besseren Mutterschutz. Sie setzte das Recht auf Abtreibung durch und schlug vor „unproduktive Hausarbeit“ mit Volksküchen und kollektiver Kindererziehung zu ersetzen.

Andreina Emeri war dabei, als sich 1971 die Gruppe Kollontaj formierte und war bis zu ihrem Tod in der Gruppe aktiv. Die Gruppe verstand sich als „collettivo“, „Kollektiv“ – es gab keine Vorsitzende, Hierarchien wurden vermieden, Entscheidungen wurden grundsätzlich nur gemeinsam getroffen.

Donnerstag war „Kollontaj-Tag“. Pünktlich um halb neun trafen sich die Frauen, oft im Haus Emeri, wo die Beaufsichtigung der kleineren Kinder durch Andreinas Kinder gewährleistet war. Die Frauen konnten sich ungestört austauschen.
Die Treffen der Frauenkollektive waren kein „normales“ Zusammenkommen, um über Frauenthemen, Frauenrechte und Politik im Allgemeinen zu sprechen. Die Erzählungen, die Emotionen, die Ergriffenheit, der Stolz, der mitschwingt, wenn Frauen heute über diesen Lebensabschnitt sprechen, vermitteln mehr.
Frau kam zu diesen Treffen nicht, weil sie gerade eben Zeit hatte oder sich für das eine oder andere Thema interessierte, Frau kam mit demselben Verantwortungsbewusstsein, mit dem sie täglich zur Arbeit ging. Es war eine „Konstante“, unverrückbar, unaufschiebbar, und das für manche Gruppen über Jahre. Urlaub und Krankheit waren die einzig anerkannten Gründe, um einem Treffen fern zu bleiben. Die Bereitschaft, sich den anderen zu öffnen und in die Tiefe zu gehen, forderte Konsequenz und Engagement – nur dabei sein wollen war zu wenig. Es ist schwer möglich, an Gedankengänge anzuknüpfen, wenn man nicht dabei ist, wenn sie zum Ausdruck gebracht werden, es ist auch nur schwer möglich, intime Gedanken und Gefühle vor anderen Frauen auszubreiten, wenn diese nur ab und zu dabei sind. Damit wird verständlich, dass Außenstehende die einzelnen Gruppen als geschlossen homogen wahrnahmen. Das Kollektiv bot ein Ambiente, in dem es keine Sorge gab, dass Gesagtes nach Außen getragen und das aufgebrachte Vertrauen missbraucht würde. Gelebte Frauensolidarität.

Die weibliche Sexualität, die eigene Erfahrung mit Sexualität standen bei den Treffen vielfach im Mittelpunkt. Das Bedürfnis nach Austausch war groß. Die Kollektive schufen „Frauenwelten“ und boten den Rahmen für Selbsterfahrung, Selbstbewusstwerdung, „autocoscienza“. Die Inhalte waren geprägt von den eigenen Erfahrungen, Ängsten, Gedanken, vom Innersten, das sich bei diesen Treffen nach außen kehrte. Endlich gab es Gelegenheiten für Frauen, über sich selbst und unter sich über Dinge zu sprechen, über die sie bisher vielfach niemals zuvor geredet hatten. Es wird offen über positive und negative sexuelle Erfahrungen, eigene Wahrnehmungen, Schwierigkeiten und Erfahrungen mit Lust gesprochen, Missbrauch- und Gewalterfahrungen werden in Worte gefasst, Verhütung und Abtreibung diskutiert, Selbstuntersuchungen praktiziert.
Es waren keineswegs Frauenkränzchen, die Treffen hatten politische Relevanz. Das Schlagwort „Das Private ist politisch“ setzte sich durch, die Frauen gingen auch in Südtirol geschlossen auf die Straße und forderten die Umsetzung von Rechten, deren Fehlen sie am eigenen Leib erfuhren.

Eine der ersten konkreten Maßnahmen, die in Bozen getroffen wurden und direkt aus der Erfahrung des Frauenkollektivs Kollontaj erwuchs, war 1973 die Einrichtung der an den nationalen Verband angeschlossenen AIED-Beratungsstelle (Associazione Italiana per l’Educazione Demografica). Andreina Emeri wurde deren Präsidentin. Da sie als Mutter von vier Kindern und praktizierende Anwältin alle patriarchal-gesellschaftlichen Ansprüche erfüllte, wurde sie mit den vorgebrachten Forderungen auch von Männern ernst genommen. Als Anwältin übernahm sie in der Beratungsstelle unentgeltlich den Dienst der Rechtsberatung.
AIED war als Anlaufstelle allen Frauen mit ihrem Bedürfnis nach Austausch und Information zugänglich, und zwar bereits zwei Jahre bevor das staatliche Gesetz von 1975 die Einführung von Familienberatungsstellen vorsah. Eine weitere Anlaufstelle wurde die Familienberatungsstelle Lilith in Meran, die 1979 noch vor Umsetzung des entsprechenden Gesetzes in der Provinz Bozen von der „Meraner Frauengruppe“ gegründet wurde.
Die Frauen hielten nicht nur jahrelang um der Sache Willen, aus Überzeugung, ohne gesetzlichen Rückhalt diesen Dienst für Frauen ehrenamtlich aufrecht, sie finanzierten diese Initiativen auch selbst. In einer Einführungsrede des AIED werden folgende Ziele der Beratungsstelle genannt: „Information über Verhütung zu verbreiten und einen offenen Raum zu schaffen, wo über die Gesundheit der Frau und ihre allgemeine Befindlichkeit gesprochen werden kann“. Die Beratungsstelle ist auch heute noch ein Ort, an dem Frauen Informationen erhalten, über ihre Rechte aufgeklärt werden und wo ihnen vermittelt wird, dass sie ein Recht dazu haben, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Südtirols Frauengruppen nahmen an italienweiten Aktionen, Demonstrationen und Diskussionen teil. Neben den nationalen Frauengruppen innerhalb von Gewerkschaftsverbänden, den politischen Gruppen CIF (Centro Italiano Feminile), UDI (Unione Donne Italiane) - in Südtirol bekannt als Südtiroler Frauenbund - und der SVP-Frauenbewegung, den KVW-Frauen waren unter anderen das Kollektiv Kollontaj und die „Meraner Frauengruppe“ in der Öffentlichkeit aktiv. Diese Gruppen bereiteten Demonstrationen vor, führten Flugblattaktionen durch, organisierten Tagungen, Lesungen, Vorträge und Diskussionen.

Konkrete Aktionen werden gesetzt:
1974: Referendum zur Abschaffung des Ehescheidungsgesetzes: Durch massive Mobilisierung von Seiten der italienischen Frauenbewegung wird die Abschaffung abgelehnt. Die Gruppe Kollontaj veranstaltet vor Supermärkten Flugblattaktionen und geht mit Spruchbändern und Plakaten auf die Straße.
1975: Gesetz zur Einrichtung von Beratungszentren, in Südtirol wir das Gesetz erst 1979 mit Landesgesetz wirksam, bis dahin werden die Beratungsstellen ohne öffentliche Unterstützung betrieben.
1977: In ganz Italien kommt es zu Massenkundgebungen zugunsten der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Am 5. Februar findet in Bozen eine Kundgebung statt, bei der demonstrativ eine Arztfigur aus Pappe als Symbol für die illegale Abtreibungspraxis verbrannt wird; weitere Demonstrationen und Flugblattaktionen werden in Bozen und Meran durchgeführt.
8. März 1977: die Kollontaj-Frauen organisieren einen Fackelzug durch Bozen und protestieren damit gegen Gewalt an Frauen mit dem Slogan: „Wir erobern uns die Nacht zurück“. In diesem Jahr arbeiten die Frauen konkret an der Durchsetzung eines Gesetzes gegen Gewalt an Frauen, die nicht weiterhin nur als moralischer Verstoß gesehen werden kann.
1978: Das Abtreibungsgesetz wird verabschiedet.
1979: In Bozen findet ein öffentlicher Prozess wegen Vergewaltigung statt, die Frauen treten als Zivilklägerinnen auf.
8. März 1979: Ein Fackelzug durch Bozen wird organisiert. Diesmal geht es um die Forderung von frauengerechten Beratungsstellen, gegen Krieg und Terrorismus.
1981: Referendum zur Abschaffung des Gesetzes zum freiwilligen Schwangerschaftsabbruch. Massive Mobilisierung der Frauengruppen führen zum Erfolg und somit zur Beibehaltung des Gesetzes.

Frauen gehen vermehrt in die Politik
1983 kandidierte Andreina Emeri erfolgreich bei den Landtagwahlen. Über die „Alternative Liste für das andere Südtirol“ wurde sie in den Landtag gewählt und trug wesentlich dazu bei, dass frauenbezogene Themen auf politischer Ebene aufs Tapet gebracht und diskutiert wurden. „Mit Einsatz, Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen brachte sie die Anliegen der Frauen vor, verlor nie ihre Korrektheit und genoss daher auch den Respekt ihrer Gegner,“ charakterisierte die Tageszeitung „Alto Adige“ sie im Nachruf.

Einige der von der Zweiten Frauenbewegung geforderten Gesetze wurden erst nach Andreina Emeris Tod umgesetzt, um andere Forderungen wird bis heute noch gekämpft.

(Ingrid Facchinelli, Historikerin, langjährige Mitarbeiterin der Alexander Langer Stiftung; im Vorstand des Frauenarchiv Bozen)
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