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Aus: Man muss sich die Freiräume stehlen. Interview an Andreina Emeri und Grazia Barbiero
18.11.2005, Skolast, April 1984 - Foto: Ida Prinoth
Brunhilde: Ein Freund von mir hat erzählt, dass er als Kind schwimmen gelernt hat, indem er ins Wasser geworfen wurde; heute schwimmt er gern im tiefen Wasser. Ich habe mich langsam dem Wasser angenähert, ich wollte mich immer sicher fühlen. Heute kann ich zwar schwimmen, aber nur dort, wo ich den Grund spüren kann. Wie habt ich euch an die Politik angenähert?Andreina: Ich habe es so gemacht wie du, stufenweise. Ich muss aber sagen, dass die letzen Wahlen eher eine Episode waren, wie sie dein Freund erlebt hat. Und jetzt schwimm, wenn du kannst! Ich hoffe, nicht zuviel Wasser zu schlucken.
Grazia: Auch ich habe mich sehr langsam der Politik genähert. Meine politische Bewusstwerdung ist von der sehr nahen und konkreten Realität ausgegangen, in der ich gelebt habe. Erst später hatte ich das Bedürfnis, in einer Partei den Ort zu suchen, an dem ich Kritik und Vorschläge vorbringen konnte. Später habe ich dann die Notwendigkeit verspürt, mich auch auf einer Ebene, die von der parteipolitischen getrennt war, politisch auseinanderzusetzen, nur mit Frauen und unter Frauen. Ich praktiziere diese doppelte Militanz jeden Tag und glaube, dass sie – wenn auch nicht optimal – doch notwendig ist.
Brunhilde: Empfindest du das Politikmachen als Verpflichtung für dich selbst, deinen Teil beizubringen?
Grazia: Ja. Nein. Politik zu machen, sich zu engagieren ist eine Daseinsweise. Ich glaube nicht, dass ich zurückgehen könnte, in dem Sinn, dass ich wieder anfangen würde, desinteressiert zu sein. Ich könnte mir allerdings vorstellen, wieder zu unterrichten. Manchmal sag ich mir, wie wäre es doch angenehm, wenn ich in die Schule zurückkehren und die Politik in einer weniger aufwendigen Art betreiben könnte. Die Arbeit als Landtagsabgeordnete macht mich manchmal müde, ich hätte ab und zu Lust, alles stehen und liegen zu lassen; keine Zweifel gibt es aber darüber, dass ich eine Frau sein will, die sich engagiert, die sich ausdrücken will, die gehört werden will.
Margreth: Welche Risiken geht ihr damit ein?
Andreina: Zunächst einmal riskiert man einfach, sich auffressen zu lassen; das ist ein bisschen das, was Grazia gesagt hat, ich glaube, das muss man immer vor Augen haben. Das heißt: in der politischen Gruppe, in der ich arbeite, ist zum Beispiel das Thema Umweltschutz sehr aktuell. Ich meine, es ist sinnlos, nur für unsere Kinder und Enkel Umweltschutz zu betreiben, wenn wir selbst nicht imstande sind, am Sonntag auf den Berg zu gehen, weil wir immer in irgendeiner Tagung eingesperrt sind. Über kurz oder lang wird man professioneller Politiker.
Was wiederum heißt, dass man nur mehr mit Leuten Kontakt hat, die selbst politisch tätig sind. Man sollte auch immer noch ein Mensch bleiben, der sich anhört, was die Leute sagen, wenn er am Samstagvormittag einkaufen geht, ein Mensch, der ein normales Leben führt, der Bücher liest, ins Kino geht, ins Theater. In den 68er Jahren stand die Politik an erster Stelle, das ist eine sehr männliche Seite der Politik. Für mich ist es wichtig, auch die Freude an persönlichen Kontakten in die Politik hineinzutragen, nicht nur sympathisch zu finden, die mir politisch nahestehen.
An dem Tag, an dem ich feststellen müsste, dass diese Dinge nicht mehr da sind, würde ich die Politik aufgeben, dann hätte sie für mich keinen Sinn mehr. Ich persönlich glaube nicht an das Jenseits, ich habe keine Jahrtausende mehr vor mir, deswegen will ich ein Leben führen, in dem es ein Gleichgewicht zwischen dem Persönlichen und dem Öffentlichen gibt. Ich will mich nicht verschlingen lassen.
Margreth: Dieser Zwiespalt ist typisch weiblich. Egal, welchen Beruf eine Frau ausübt, sie will sich immer einen privaten Freiraum erhalten. Das steht manchmal der Karriere im Weg.
Andreina: Um große Sachen zu machen z. B. die Neunte von Beethoven, muss sich jemand verausgaben, ich glaube nicht dass man sich da schonen kann, wie ich es tun will. Das ist, glaube ich, auch ein Grund dafür, dass wenige Frauen große Werke gemacht haben. Es gibt natürlich auch andere Ursachen, die Erziehung, die fehlende Bildung. Wenn ich fühlen würde, dass ich großartige Fähigkeiten hätte, dann würde ich mich vielleicht auch ganz auf etwas konzentrieren, aber da ich ganz normaler Durchschnitt bin, will ich mir am Ende meines Lebens sagen können: es war nicht übel, etwas habe ich gemacht, auf irgendeine Art habe ich eingewirkt, aber es war auch etwas was seine Blümlein hatte, nicht nur das glatte Gestänge der Konstruktion.
Brunhilde: Ich arbeite acht Stunden, und manchmal habe ich das Gefühl, dass ich die Zeit , mein Gleichgewicht wiederherzustellen, nicht mehr habe. Ich kann mir vorstellen, dass euer Stundenplan sehr lang ist.
Andreina: Er existiert nicht. Man muss sich die Freiräume stehlen und man muss in bestimmten Dingen unbeugsam sein. Aber ich hoffe, auch in der politischen Tätigkeit wie in meiner früheren Arbeit Befriedigung zu finden, nur darf die menschliche Beziehung nicht zu einer politischen schrumpfen, denn dann bist du auch als politische Persönlichkeit erledigt, in dem Sinn nämlich, dass du eindimensional wirst.
Meine Kinder sind bereits erwachsen und unabhängig, ich muss sie nicht mehr versorgen; meinen Mann versorge ich schon seit einiger Zeit nicht mehr; das war ein persönlicher Entschluss von mir. Natürlich will ich zu meinem Mann und zu meinen Kindern eine menschliche Beziehung haben und das braucht auch Zeit. Ich habe keine aufgeräumte Wohnung, keine Zeit zum Ausverkauf zu gehen, bestimmte Sachen muss man einfach streichen. Ich esse solala. Aber ich habe einen Hund, eine Katze und Blumen.
Margreth: Ist Politik erst in dein Leben eingetreten, als deine Kinder schon erwachsen waren?
Andreina: In dem Sinn, dass man neben der Arbeit auch politisch aktiv ist, habe ich das schon früher gemacht. Manchmal war es auch nicht ganz einfach, alles zu vereinbaren, aber in gewissem Sinne war ich auch privilegiert: ich hatte nie Wohnungsprobleme, ich konnte mir immer eine Haushaltshilfe leisten; das ist nicht die typische Frauensituation. Verzichtet habe ich auf die Dinge, die mir am wenigsten wichtig erschienen, Friseur usw.
Grazia: Auch ich habe meinen Mann nie versorgt. Ich habe eine 12jährige Tochter, die lieb ist und mir sehr hilft, sie hilft mir, meine Konflikte zu überwinden. Ich wurde sehr traditionell erzogen; ich habe gelernt, dass sich eine gute Mutter ganz ihren Kindern widmen muss. Ich habe versucht, auf eine andere Art Mutter zu sein; manchmal kommen diese atavistischen Ängste, keine gute Mutter zu sein heraus, und ich muss sagen, dass mir das Mädchen hilft, diese Ängste, die ich auf rationaler Ebene entschieden überwunden habe, zu beseitigen.
Margreth: Ihr und die Politik. Was ist an eurer Art, Politik im Landtag zu machen, an spezifisch Weiblichem übriggeblieben, angenommen es war mal was da?
Andreina: Ich bin der Meinung, dass es eine traditionelle Feindschaft zwischen der Frau und der Politik gibt. Mehr noch eine Feindschaft zwischen der Partei und der Frau. Wenn wir hingegen das politische Konzept als Interessensgebiet kollektiver Angelegenheiten verstehen, können wir feststellen, dass darin Frauen seit jeher vorrangiger vertreten waren, als etwa bei politischen Wahlen, bei öffentlichen Veranstaltungen etc.
(Interview: Brunhilde Platzer, Margreth Stocker, Renate Mumelter)