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Der Alexander-Langer-Preis 2008 geht an das Dorf Ayuub in Somalien

20.5.2008, Stiftung
Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung hat beschlossen, den internationalen Alexander-Langer-Preis 2008 dem somalischen Dorf Ayuub zu verleihen, das von Mana Sultan Abdirahmaan ΄Ali ΄Iise unter tatkräftiger Hilfe des Trentiner Priesters und Geologen don Elio Sommavilla gegründet wurde und von der Vereinigung „Water for life – Acqua per la vita“ unterstützt wird.


1992, nach dem Zusammenbruch des Regimes von Siad Barre und der darauffolgenden humanitären Krise, waren die Straßen der Hafenstadt Merka überfüllt von verlassenen Frauen und Kindern, die vor Krieg und Hunger flohen. Die 1953 geborene Tochter des letzten Sultans der Stadt, Mana Sultan Abdirahmaan, öffnete ihnen die Türen ihres Hauses. Sie kümmerte sich um sie und gab ihnen zu essen. Dabei wurde sie von einer Gruppe somalischer Frauen unterstützt, die ihrerseits Opfer der verbreiteten Gewalt geworden waren. Zu den Geborgenen gehörte auch der kleine Ayuub, Hiob, der neben der Leiche seiner vor Tagen verstorbenen jungen Mutter aufgefunden wurde. 1992 wurde zunächst eine No-Profit-Organisation nach ihm benannt, später ein Dorf, das nach dem Modell der österreichischen SOS-Kinderdörfer selbstverwaltet wird.

In ihrem selbstlosen Einsatz wurde Mana Sultan von Elio Sommavilla unterstützt, der Somalia vor vielen Jahren zu seiner zweiten Heimat auserkoren und bereits während der humanitären Krise 1987 infolge des Krieges von Siad Barre gegen Äthiopien mit Mana Sultan zusammengearbeitet hatte. 1927 in Moena (Trient) geboren, Geologieprofessor an der Universität Ferrara, war Elio Sommavilla 1976 mit einem Lehrauftrag nach Mogadischu gekommen, um an der dortigen Universität zu unterrichten. Dort hatte er zusammen mit jungen Somalis Projekte zur Wasserbeschaffung in Angriff genommen. Mit einfachen Techniken und unter Beachtung der Traditionen des Landes suchte er nach Wasser, ohne das bestehende fragile Wasserversorgungssystem zu stören oder zu beinträchtigen. 1987 gründete er die Vereinigung „Water for life – Acqua per la vita“ mit Sitz in Trient, die zusammen mit den Gemeinden Ferrara, Alessandria und Amelia bedeutende Projekte in die Wege leitete.

1992, als die Warlords, die anfänglich als Befreier von der Diktatur galten, einen blutigen und bis heute andauernden Kampf um die Vorherrschaft begannen, suchten 823 Kinder in Merka Zuflucht. Als es die äußeren Umstände zuließen, begann Mana Sultan deren Ursprungsfamilien zu suchen und gab die Kinder schließlich zurück in ihre Obhut. Die 143 Kinder, die allein zurückblieben, wurden Adoptivmüttern anvertraut. Diese neuen Mütter wurden vorzugsweise unter jungen alleinstehenden Frauen oder Witwen ausgewählt, die ebenfalls Zuflucht und Hilfe gesucht hatten. Gleichzeitig wurden Patenschaften bzw. Adoptionen auf Distanz vermittelt und man begann mit dem Bau eines kleinen Dorfes, das den neuen Mitgliedern der Gemeinschaft Schutz, Bildungsmöglichkeiten und einen Unterhalt bot.


Das Dorf wuchs schnell und die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Schutz, aber vor allem die Hoffnung auf eine bessere Zukunft brauchten, stieg zusehends. Ihnen Bildung und eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen, stand daher im Vordergrund. Immer mehr Schulen wurden im gesamten Distrikt um Merka gebaut und eröffnet. 2007 wurden sie von insgesamt 12.215 Schülerinnen und Schülern besucht. Dass die Schülerinnen bis heute in der Mehrzahl sind, zeigt, um welch innovatives, ja revolutionäres Projekt es sich dabei handelt.

Eingerichtet wurden ferner ein Kindergarten mit Ernährungszentrum und eine Ambulanz mit fünf Krankenpflegern und acht Hebammen, die regelmäßig in die umliegenden Dörfer fahren, um bei Geburten mitzuhelfen und Tropen- oder Infektionskrankheiten zu behandeln oder denen vorzubeugen. 300 km Bewässerungskanäle wurden wieder in Stand gesetzt und eine gut funktionierende Werkstatt aufgebaut. Schließlich wurde eine Berufsschule eingerichtet, um Jugendliche über 15 in die Berufswelt einzuführen. Das Dorf Ayuub, das in der Wüste erbaut wurde, ist heute eine Grünzone mit Gemüsegärten, Blumen, Bäumen und einem kleinen Wald, der zur Holzproduktion dient und in dem Futtermittel für die Ziegen und Kühe produziert werden, die die Gemeinschaft auf genossenschaftlicher Basis züchtet.


Seit sechs Jahren hat das Dorf Ayuub eine demokratische Verwaltung. Damit versucht man, die in der somalischen Gesellschaft tief verankerten Klüfte zwischen Stämmen, Kasten und Geschlechtern zu überbrücken. 2004, als mit der Bildung eines neuen provisorischen Parlaments die Hoffnung auf Frieden aufkeimte, forderte Mana Sultan einen stärkeren Frauenanteil, der schließlich 12% erreichte.


Die Entstehung des Dorfes und seine weitere Entwicklung und Vergrößerung wäre ohne die überzeugte und tatkräftige Unterstützung der Trentiner Vereinigung „Water for life – Acqua per la vita“ nicht möglich gewesen, die mit den Adoptionen auf Distanz und den Partnerschaften zwischen insgesamt 23 Schulen in Italien und in Merka öffentliche und private Gelder auftrieben. Letztere brachten auch einen regen kulturellen Austausch in Gang, der die somalischen Lehrpersonen und SchülerInnen gleichermaßen dazu animierte, sich ihrer besten künstlerischen Traditionen zu besinnen. So entstanden im Umkreis der Schulen neue und wieder ins Leben gerufene Musik-, Tanz-, Theater- und Sportgruppen sowie Handwerksstätten, die ihre Kunstgegenstände in den Partnerschulen verkaufen. Die Schulkinder auf italienischer Seite schicken ihrerseits Briefe, Videokassetten und kleine Geldsummen, die sie ansparen, indem sie sich zuhause nützlich machen und jegliche Verschwendung vermeiden.


Der Einsatz von Mana Sultan beschränkt sich aber nicht nur auf das Dorf. Durch Aufklärung und intensive Überzeugungsarbeit versucht sie die Frauen dazu zu bewegen, dem Brauch der weiblichen Beschneidung abzuschwören und ihn in ein symbolisches Ritual zu verwandeln, um so die körperliche Unversehrtheit der Mädchen zu wahren. „Die Frauen sind eine große Ressource, ein Reichtum für Somalia“, sagt Mana immer wieder. „Wenn in diesem schwer gebeutelten Land nach vielen Jahren des Krieges das Leben trotzdem weitergeht, so ist es ihnen zu verdanken.“


Am 14. Dezember 2007 erreicht völlig unerwartet eine traurige Nachricht das Dorf: Mana ist im Alter von nur 54 Jahren gestorben. Ihre Mitarbeiter finden keine Ruhe: „Es war nicht ihre selbstlose und unermüdliche Arbeit rund um die Uhr, die sie das Leben kostete, sondern ihre Sorge wegen der laufenden Ankunft immer neuer Flüchtlinge aus Mogadischu.“


Die lange und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Mana Sultan – einer Frau, Somalierin und Muslimin – und Elio Sommavilla – einem Mann und katholischen Priester – wurde dadurch jäh unterbrochen. Das Dorf Ayuub aber bleibt weiterhin für Männer und Frauen guten Willens ein Ort der Hoffnung auf Frieden und Gemeinschaft auch unter schwierigsten Bedingungen: trotz des Krieges und gegen den Krieg!


Der mit 10.000 Euro dotierte, von der Stiftung Südtiroler Sparkasse zur Verfügung gestellte Preis wird am 4. Juli 2008 im Rahmen des jährlichen Festivals Euromediterranea in Bozen übergeben. Die Veranstaltung wird heuer in Bozen, Salurn und Trient stattfinden.


Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung setzt sich aus Annamaria Gentili (Vorsitzende), Andrea Lollini, Anna Bravo, Barbara Bertoncin, Edi Rabini, Fabio Levi, Franco Travaglini, Gianni Tamino, Grazia Barbiero, Helmuth Moroder, Liliana Cori, Mao Valpiana, Margit Pieber, Pinuccia Montanari und Ursula Apitzsch zusammen.

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