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Dragoslav Dedovic: 13. Jahre nach Dayton in BiH, Leben in der scheinnormalität? Ein Gespräch mit Elisabeth Alber

1.8.2008, Accademia 2/2008 nr.37 - Eurac Bz

Herr Dedović, Bosnien-Herzegowina (BiH), ein schwacher Bundesstaat, eingebettet in einen schwierigen sozio-ökonomischen und geopolitischen Kontext, scheint dem Scheitern nah zu sein. Die Komplexität der
innerstaatlichen Gliederung ist ein ernst zu nehmender Hemmschuh für die weitere Entwicklung des Bundesstaates. Auf welchem Fundament teht der Frieden in Bosnien-Herzegowina?

Dedović: Heutzutage beobachten wir in BiH ein friedliches Nebeneinander.die Grundlagen für ein Miteinander fehlen. Die Zeichen der Zeit stehen auf Trennung. Die Fundamente der heutigen erfassungspolitischen Lage des Landes wurden nicht von en Bürgern in einem demokratischen Prozess gelegt, sondern von den Herrschereliten, deren demokratische Legitimität ein roßteil der Bevölkerung nicht akzeptierte. Der Geburtsort des riedens befand sich nicht im Land, sondern in Dayton, Ohio, SA. (Das Dayton-Friedensabkommen wurde im Jahre 1995 vom erbischen Präsidenten Milošević, dem kroatischen Präsidenten Tuđjman und dem bosnisch-herzegowinischen Präsidenten zetbegović unterzeichnet, unter Vermittlung der USA mit Beteiligung er EU und unter Leitung des damaligen US-Präsidenten
Clinton.„

Was bedeutet das für die Bevölkerung?

Dedović: Das Dayton-Friedensabkommen brachte die schleichende egalisierung der Ergebnisse des ethnic cleansing mit sich. ie ethnische Säuberung hat in BiH funktioniert. Aus fast allen thnisch gemischten Ortschaften ist die Pluralität der Balkankulturen erschwunden. Die ethnische regionale Zusammensetzung
der Bevölkerung wurde tief greifend verändert. Über 0% der Serben leben heute in der serbischen Republik und die Bosniaken sind zu über 90% in der Föderation beheimatet. Das Zerstörte Zwischenmenschliche führt zur Scheinnormalität, die von den Bürgern als die einzig mögliche Realität mehrheitlich akzeptiert wird. Die Bevölkerung hat keine Alternative. Nicht nur die Macht ist ethnisch geteilt. Eine räumlich ethnische Trennung in den Schulen, eine kaum verschleierte Ablehnung des Anderen, kanonisiert in den Schulbüchern, ausgeübt in den öffentlichen Diensten und vorangetrieben durch ethnisch voreingenommene Medien, erschweren der Bevölkerung eine Rückkehr zur Normalität eines multikulturellen Staates.
Heutzutage kann niemand mehr einfach als Bürger des Landes seine politischen
Rechte ausüben. Menschen sind entweder bosniaken, Serben, Kroaten – oder ein politisches Nichts bzw. Teil der so genannten „Restlichen“. Diejenigen, die nicht nationalistisch denken und fühlen,
ziehen sich angeekelt ins Private zurück.
Dieser Zustand der nachhaltigen Resignation ist die geistige und moralische Bilanz
von BiH im Jahre 2008.


Als Leiter des Regionalbüros bemühen Sie sich in Belgrad um die Koordination der Aufgaben der
verschiedenen Landesbüros in BiH, Kroatien, dem Kosovo und Montenegro. Worin liegen ihre
Arbeitsschwerpunkte?

Dedović: Die Böll Stiftung arbeitet besonders im Bereich der Demokratisierung und der Sensibilisierung für Menschenrechte. Dabei handelt es sich auch um die Übermittlung der Botschaft „Ihr seid
nicht allein“ an die lokalen politischen und zivilgesellschaftlichen Akteure, die im Spektrum der grünen Werte agieren.
Wir versuchen mit Hilfe der Landesbüros eine Netzwerkfunktion einzunehmen und Medien als Multiplikatoren für den ufbau eines interethnischen Dialogs für eine Zukunft des Miteinanders zu gewinnen.
Jugendarbeit und die Zusammenarbeit mit Jungakademikern sind zwei unserer Hauptanliegen.

Sie haben gerade von der Übermittlung der Botschaft "Ihr seid nicht allein“ gesprochen. Beim
Wiederaufbau des kriegsgeschundenen Landes hat die internationale Gemeinschaft einegroße Rolle gespielt. Welche Bedeutung hat sie heute?


Dedović: Die internationale Gemeinschaft stoppte 1995 das Gemetzel. Sie war jedoch bald mit ihrer Rolle als gestalterische Friedensmacht überfordert. Kriegsverbrecher wurden bei den Verhandlungen
salonfähig gemacht und nicht verhaftet. Das bedeutete den zweiten, leisen Untergang des mir vertrauten multikulturellen Landes. Ethnozentrische Politik ist nach wie vor dominant. Die Präsenz der internationalen Gemeinschaft ist nötig, aber sie wird nicht als Teil der Lösung, sondern besonders als Teil des Problems
wahrgenommen. Die nationalistischen Politeliten vermeiden die volle Verantwortung für ihr Tun und Lassen, oft mit dem Hinweis, dass der Hohe Repräsentant sie an der Verwirklichung ihrer sonst zum Wohle des Volkes ausgerichteten Politik hindere. (Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft agiert mit
Hilfe von einschneidenden Sonderbefugnisse, z.B. die Befugnis, allein Gesetze zu erlassen, A. d. R.). Daraus ergibt sich eine strukturell geförderte Verantwortungslosigkeit ohnegleichen und ein sich blockierendes System. Paradox ist, dass viele Bürger meinen, dass die internationale Gemeinschaft unersetzlich sei, denn es gebe derzeit keine demokratische Alternative im Lande.
„Die Präsenz der internationalen Gemeinschaft ist nötig, aber sie wird nicht als Teil der Lösung, sondern besonders als Teil des Problems wahrgenommen.“

Welche Reformen wären wo notwendig?

Dedović: In BiH gibt es auf allen Ebenen dringenden Reformbedarf. Eine Umverteilung der Kompetenzen zugunsten des Zentralstaates sowie das Wiederaufgreifen gescheiterter Verfassungsreformen
sind zwei Beispiele. Anstehende Bündel an Reformen müssen dabei von innen mitgetragen werden. Die strukturellen Reformen müssen schnell herangeführt werden und zwar irreversibel mit der Legitimität der Bevölkerung. Serben und Kroaten müssen mehrheitlich für ein gemeinsames Staatsprojekt gewonnen werden.
Leider gibt es zurzeit in BiH keinen Konsensus über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; deshalb auch keine reformfreundlichen politischen Mehrheiten.

Das Interview führte
Elisabeth Alber

Dragoslav Dedović, Balkanexperte und Leiter des Regionalbüros für Südosteuropa der Heinrich Böll
Stiftung, über die innerstaatlichen Probleme des Versuchsstaates Bosnien-Herzegowina, den leisen
Untergang eines ehemals multikulturellen Landes und die Rolle der internationalen Gemeinschaft.


Weitere Infos zu den Aktionstagen zur Zukunft des Balkans im Mai 2008 und allen Organisatoren unter:
http://www.eurac.edu/Org/Minorities/SFeRe/Projects/SchwerpunktBalkanforschung.htm
und "www.alexanderlanger.org" Adopt Srebrenica

 

TEXT PDF im Anhang 

Academia47dedovic.pdf (274 KB)
pro dialog