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So denke ich über die Fastenzeit

1.3.1962, Aus: Offenes Wort
Fastenzeit - dieses Wort weckt gleich unangenehme Empfindungen in uns: zu wenig zu essen, Stockfisch, Sack und Asche. Das ist heute wohl überholt, denn die Kirche hat die Fastenvorschriften so erleichtert, daß von der Fastenzeit nur noch das Abbruckfasten am Aschermittwoch und am Karfreitag übrigbleibt. Ich halte es für sehr günstig, daß der Fastenzeit dieser Charakter der Strenge genommen wurde, aber ich glaube, auch, uns würde es kaum schaden, ein bißchen über den Sinn der Fastenzeit und ihre Bedeutung für uns nachzudenken.

Vor allem soll sie auch für uns Jugendliche eine Zeit der Besinnung sein, denn, auch wenn wir es so oft nicht wahrhaben wollen, so brauchen wir dennoch auch Zeit zur Besinnung. Doch kann niemand uns zumuten, uns vierzig Tage lang zu besinnen, oder? Das wäre denn doch etwas zu viel! Der ursprüngliche Zweck der Fastenzeit war, eine vorbereitende Bußzeit zu sein, die uns reif machen soll für die Ostertage und den Mitvolllzug des Leidens Christi. Gut, diesen Zweck kann die Fastenzeit auch in uns erreichen! Aber nicht durch legendäres Fasten, durch Kopfhängen, durch Bußegeschrei, und durch übermäßige Betonung des memento mori. Diese Erscheinungen gehören einer Zeit an, die uns heute schon so fremd, so unbegreiflich vorkommt wie die Periode jener Büßer, die ihre Tage auf Säulen verbrachten. Daher denken wir zwar an einen Tag, nämlich am Aschermittwoch, an die Vergänglichkeit, die Vergänglichkeit, der auch wir kraft- und lebenstrotzenden Jugendlichen verfallen sind, dann aber wenden wir uns lieber anderen Aufgaben zu: erhöhte Opferbereitschaft verlangt die Fastenzeit von uns, und das ist, wenn wir es ernst nehmen, gewiß nicht wenig. Zum Beispiel könnten wir in der Fastenzeit einmal darangehen, unsere Freizeit für den Dienst am Nächsten aufzuopfern, und dazu, um die besinnliche Seite nicht zu unterdrücken, einmal die Heilige Schrift zur Hand nehmen, und einzelne Stellen gründlich durchlesen und durchdenken. All dies verlangt ganzen Einsatz unserer selbst, Selbstüberwindung, starken Idealismus. Doch könnten wir dadurch der Fastenzeit einen neuen, für uns bedeutungsvollen und zugleich den Verhältnissen entsprechenden Gehalt geben. Auch Buße können wir tun, wie es der Fastenzeit entspräche, aber nicht durch gedankenloses Murmeln althergebrachter Formeln, oder eben durch "Sack und Asche"-Getue, sondern durch ehrliches Bereuen und kraftvolles Überwinden unserer Fehler und Schwächen. Wäre es nicht ein schöner Erfolg für uns selbst, für unsere eigene Persönlichkeit und unser Selbstbewußtsein, wenn wir uns am Ende der Fastenzeit sagen könnten, daß wir unseren Hautfehler gänzlich besiegt und ausgerottet haben? Doch müssen wir all diese Opfer still und im Verborgenen unserem Herrn darbringen, nicht damit sie die anderen sehen. "Wenn ihr aber fastet, so schaut nicht trübselig drein, wie die Heuchler, denn diese entstellen ihr Antlitz, damit die Menschen sehen, daß sie fasten. Wahrlich, ich sage euch: sie haben ihren Lohn schon empfangen. Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Angesucht, damit du nicht auffällst mit deinem Fasten vor den Menschen, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist. Und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten." (Matth. 6, 16-18) So sagt uns Christus. "Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehnten von allen, was ich erwerbe."(Luk. 18,12) Hier wird die selbstgerechte Haltung des Pharisäers angeprangert. Ziehen wir den Vergleich: Gott liebt also nicht die Schein-Überwindungen, die nur da sind, um der Umwelt den gewünschten Eindruck (Täuschung) zu vermitteln, sondern er will, daß wir gerade dann, wenn wir gegen uns und unsere Selbstsucht ankämpfen, Heiterkeit zeigen, damit dieses Opfer allein für Gott gelte, nicht um irgendeinen Schein zu erwecken.

Selbstverständlich erhält sich das Gepräge der Fastenzeit am meisten in den Verzichtopfern, wenn wir uns selbst einen erlaubten Genuß streichen. Aber dies hat erst dann seinen vollen Sinn, wenn wir das, was wir selbst durch Fasten erspart haben, einem mildtätigen Zweck zuwenden. So war es im Alten Bund Brauch, so in der Urkirche. Und so halten wir auch im XX. Jahrhundert es.

So stelle ich mir die Fastenzeit vor: schon als eine Zeit des Opfers, der Selbstbezwingung, aber diese Werke sollen so gehalten sein, daß sie uns Jugendlichen entsprechen!
pro dialog