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In memoriam Christoph Amonn

24.9.1994, FF Die Südtiroler Illustrierte, 24. September 1994
Nun hat er uns verlassen, der Südtiroler Liberale schlechthin. Mit dem Tod von Christoph Amonn wird Südtirol spürbar ärmer - ein Verlust, der gerade in dieser Zeit nicht nur für seine Lieben einen schweren Schlag darstellt.

Da ist im Staate eine angeblich liberaldemokratische Koalition am Ruder, die aber ausgerechnet vom Medienzar Berlusconi zusammengehalten wird, dessen Macht sich wesentlich darauf gründet, daß er nun nahezu alles Fernsehen und einen erheblichen Teil der Druckpresse - neben Verlagen, Kaufhäusern, Finanzierungsgesellschaften, Bauunternehmen usw. - kontrolliert.

Der Liberale Amonn dachte und handelte da anders. Die - im Maßstab etwa vergleichbare - Medienkonzentration um die Ebner-"Athesia" in unserem kleinen Lande sah er seit Jahrzehnten als eine Behinderung für unsere Demokratie, für den zivilen Fortschritt der Südtiroler. Und klagte nicht nur, sondern handelte. Die Gründung der FF, eines Verlags und etliche Ansätze im Rundfunk- und Fernsehwesen sind Zeugnis dafür. Christoph Amonn suchte nicht Sprachrohre für seine Politik oder Werbeträger für seine Firmen, sondern hatte verstanden, daß Südtirol nur dann mit der Moderne schritthalten kann, wenn es auch in Bildung und Information aus der Monokultur herauswächst, die sich im Schatten der Einheitspartei und der Monopolpresse eben sehr einseitig entfaltet hat. Auch jener Schuß Liberalität und Pluralismus, der sich - bisher zumindest, und bis die neuen Herren ihre Pratzen auch dorthin ausstrecken - im Sender Bozen der RAI entwickeln konnte, ging nicht unwesentlich auf jenen Geist zurück, für den Christoph Amonn stand und oft genug in den SVP-Parteigremien - denen er bis zu seinem Tod als oft unbequemer, aber nicht leicht verdrängbarer Gründersohn angehörte - gescholten wurde.

Amonns politische Philosophie und Praxis könnte man vielleicht mit vier Begriffen zusammenfassen: Wirtschaft, Mäßigung, Pluralismus, Modernisierung. Für ihn als Unternehmer und Erben einer wohlhabenden und immer auch politisch engagierten Familie war es jederzeit klar, daß Politik sich bis zu einem gewissen Maße nach der Decke der Wirtschaft zu strecken hatte, und jede politische Idee, aber auch jeder Schreier zuerst auf seinen wirtschaftspolitischen Hintergrund und die Auswirkungen zu prüfen seien. Daher kam wohl auch ein guter Teil des praktischen Nährbodens seiner Mäßigung: radikale Tendenzen sind der seriösen und langfristig denkenden unternehmerischen Wirtschaft abhold, und so setzte sich Amonn stets gegen nationalistische Hetzer und Hitzköpfe auf allen Seiten ein - was ihn manchmal in den eigenen Reihen unbeliebt oder gar verdächtig, dafür aber beispielsweise beim Staat, bei der Kirche und bei so manchen auswärtigen Partnern umso angesehener und gewichtiger machte. Gerade in der Frage des Zusammenlebens zwischen den Volksgruppen mahnte er immer wieder zum rechten Maß - gegen die Paragraphenreiter ethnischer Grenzziehungen. Zum ideellen und politischen Pluralismus, den er ähnlich der wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit als Grundvoraussetzung für gesunde politische und kulturelle Entwicklung ansah, konnte er sich selber parteipolitisch nie durchringen - die Enge Südtirols und die konkrete Macht der Sammelpartei standen da trotz häufiger Anfechtungen und Zweifel im Wege. Modernisierung war für den Europäer Amonn nicht bloß als Firmeninhaber ein ständiger Ansporn: er mochte aus Südtirol keine protektionistische Nische werden lassen, und hatte deshalb beispielsweise eine Universität im Lande nie als jenen ansteckenden Seuchenherd verstanden, als den sie die SVP eingeschätzt und bisher erfolgreich verhindert hat.

Heute ist Südtirol an einem Punkt angelangt, wo manche der von Amonn erspähten oder geförderten Entwicklungen echte Chancen hätten, in die Tat umgesetzt zu werden. Um die Medienvielfalt steht es besser und könnte es - bei entsprechender Anstrengung insbesondere auf dem schwierigen Markt des Rundfunk- und Fernsehwesens - zu einem weiteren Durchbruch kommen. Neben oder aus den bisher bestehenden kleineren Sendern könnte sich vielleicht eine neue Informationsquelle - warum nicht quer durch die Sprachgruppen? - herausbilden, die gewiß etliches zur Veränderung des Panoramas auch bei den bestehenden etablierten Medien bewirken würde - man hat dies ja auch durch die FF erlebt. Parteipolitisch hat sich manches in Bewegung gesetzt, am 12. Juni 1994 hat ein Drittel der deutschsprachigen Bozner/innen nicht mehr für die SVP gestimmt und schon bei der nächsten Gemeindewahl könnte endlich eine Alternative zur Sackgasse der großen ethnischen Blöcke auftauchen - insbesondere wenn sich liberale und partei-unabhängige Persönlichkeiten aus dem deutschsprachigen Lager aus ihren Schlupflöchern wagen. Eine Hochschule ist in Sichtweite und viel Volkstumszank ist in den Köpfen und Herzen bereits überwunden.

Nur - ob diese Blümchen ohne den diskreten Fürsprecher und Schutzpatron Christoph Amonn ebenso weiterwachsen und -gedeihen können? Man wird ihn sehr vermissen, nicht nur im engen Kreise seiner Lieben.
pro dialog