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Mit neugieriger Zuversicht

Jacek Boraś, polnischer Staatsbürger, lebt und arbeitet seit vier Jahren in Südtirol. Im Gespräch mit „BZ 1999” erzählt er über die Stimmung in seinem Land, die Möglichkeiten kultureller und wirtschaftlicher Zusammenarbeit und über die Polen in Bozen.


BZ 1999: Seit 1. Mai ist Polen Vollmitglied der Europäischen Union. Könntest du uns ein bisschen die gegenwärtige Stimmung im polnischen Volk schildern?

Jacek Boras: Man könnte das in einem Satz zusammenfassen: „Wer A gesagt hat, muss auch B sagen“. Vor einem Jahr haben wir uns durch Volksbefragung zum EU Beitritt entschieden. Jetzt ist er vollzogen, es ist aber zu früh, um schon die Folgen zu erkennen. Die Leute beobachten, was geschieht. Viele Ängste haben sich als komplett unbegründet erwiesen, zum Beispiel, dass sofort nach dem EU-Beitritt alles viel teurer werden würde. Es ist bis jetzt nicht der Fall, aber, wie gesagt, es ist noch alles ziemlich früh. Ich würde sagen, es herrscht momentan eine Stimmung neugieriger Zuversicht.
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Du lebst seit vier Jahren in Südtirol. Wie meinst du, haben die Polen, die im Ausland leben, einen Einfluss auf die politische Diskussion und Entwicklung in Polen? Meistens ist auch so, dass Menschen, die fern ihrer Heimat leben, eher konservative Haltungen haben. Vielleicht, weil sie so ihre eigene Identität zu schützen glauben. Wie sieht es diesbezüglich mit den Polen aus?

Auf uns trifft das weniger zu. Wir leben ja in Europa, wir erfahren keinen Kulturschock, wenn wir hierher kommen. Deshalb auch unsere Öffnung dem Neuen gegenüber. Wenn man die eigenen Wurzeln kennt und sie nicht in Gefahr sieht, kann man sich unbeschwert dem Fremden zuwenden. Ich würde sagen, wir sind wie ein Schwamm, der sich hier mit den Ideen und Einflüssen vollsaugt, um sie dann zu Hause wiederzugeben. Auf diese Art üben wir vielleicht einen gewissen Einfluss auf die Gesellschaft in Polen aus.

Vor allem in Deutschland besteht die Furcht, wenn einmal die Grenzen offen seien, würden Hunderttausende von Polen Richtung Westen ziehen, um hier eine Arbeit zu finden. Was sagst du dazu?

Erstens ist zu bedenken, dass die Grenzen ja schon seit mindestens 15 Jahren offen sind. Wer auswandern wollte, ist längst ausgewandert. Um die Grenze zu passieren, braucht es ja nur den Reisepass. Seit der Wende 1989 haben wir keine Schwierigkeiten, einen Pass zu bekommen. Etwas anderes ist, dass es fast in jedem Land gab es eine Art Kontingentierung des Arbeitsmarktes gibt. So ähnlich wie auch in Südtirol. Mit dem 1. Mai 2004 haben Großbritannien, Irland und Schweden ihre Arbeitsmärkte den neuen EU-Ländern ganz geöffnet. Im Vereinigten Königreich gibt es, aufgeteilt auf die verschiedenen Bereiche, 500 000 freie Arbeitsplätze. Es gibt eine Wanderungswelle dorthin, aber auf keinem Fall entspricht diese den Schreckenszenarien, die verbreitet werden. Bis jetzt sind lediglich 14.000 Personen auf Arbeitsuche nach England aufgebrochen. Von diesen sind 3.000 schon wieder enttäuscht zurückgekommen. Um im Ausland zu arbeiten, muss man zumindest die Sprache kennen und eine Wohnung finden. Nicht alle haben die Entschlossenheit, das zu tun. Dabei ist Großbritannien für Arbeitssuchende eines der attraktivsten Länder Europas. Man verdient dort viel besser als in Deutschland oder Italien – Südtirol inbegriffen. Außerdem ist Englisch die erste Fremdsprache auch in Polen.

Du bist vor vier Jahren allein nach Südtirol gekommen. In letzter Zeit hast du hier eine polnische Gemeinschaft kennen gelernt. Was denkst du, kann diese Gemeinschaft unserer Gesellschaft geben?

Genau genommen bin ich zusammen mit meinem Bruder hier her gekommen. Beide waren wir überrascht, dass hier so viele Polen leben. In letzter Zeit bin ich auf eine ziemlich gut organisierte Gruppe gestoßen, die sich regelmäßig trifft. Es wird sogar einmal im Monat eine heilige Messe in polnischer Sprache gefeiert. Ich glaube, man könnte ein Schritt weiter gehen und vielleicht einen Verein gründen. Wir könnten Botschafter unseres Landes werden. Es wäre eine schöne Aufgabe, der Südtiroler Gesellschaft hier unsere Kultur vorzustellen. So könnten die Leute sich aus mehreren Quellen informieren. Multikulturalität empfinde ich als eine Bereicherung der Gesellschaft.

Du hast Erfahrung in der Landwirtschaft. In welchen Bereichen der Landwirtschaft siehst du eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Polen und Südtirol?

Die Zusammenarbeit existiert bereits. Südtirol hat eine Partnerschaft mit der Region Podlasie in Ostpolen, ich habe gehört, dass vor ein paar Monaten eine Gruppe junger polnischer Bauern auf Besuch hier war. Im Rahmen eines EU-Projektes haben sie sich über das Genossenschaftswesen und EU-Bestimmungen informiert. In diesen Bereichen sehe ich auch einen Nachholbedarf bei uns. Es wäre schön, wenn die Südtiroler Bauern ihren polnischen Kollegen helfen würden, wie sie sich im Dschungel der EU-Vorschriften zu bewegen haben. Auch das hier so gut funktionierende Genossenschaftswesen könnte in Polen als Vorbild dienen. Wir haben unter dem Kommunismus schlimme Erfahrungen mit Genossenschaften gemacht. Man hat sie uns mit Gewalt aufgezwungen. Trotz allem, die Bauern sind auf ihren eigenen Höfen geblieben. Der Kampf hat aber tiefe Spuren hinterlassen. Man reagiert auf das Wort „Genossenschaft“ sehr zurückhaltend. Vielleicht würden sich einige Polen für diese Form der Landwirtschaft entschieden, wenn sie die hier praktizierte Form von Genossenschaften kennen lernten.

Was produzieren polnische Landwirte hauptsächlich? Was wird angebaut?

Vor allem werden Getreide und Kartoffeln angebaut. Bei der Apfelproduktion nehmen wir den vierten Platz in Europa ein. Wichtig sind auch Erdbeeren. In allgemeinem ist die Landwirtschaft in Polen sehr naturnah. Die Höfe sind klein, Familienbetriebe, welche noch wenig spezialisiert sind. Die meisten sind unter 10 Hektar groß. Wenn man bedenkt, dass die chemischen Pflanzenschutzmittel fast gleich viel kosten wie in Südtirol (sie kommen ja aus derselben Firma – Bayer), der Preis für die geernteten Produkte hingegen viel niedriger ist, kommt als Lösung sofort in Frage, mit den Spritzmitteln sehr sparsam umzugehen. Das ist der beste Naturschutz. Das heißt, unsere Feldfrüchte werden meistens ökologisch angebaut. Das ergibt sich von alleine, aus der ökonomischen Not. Es wird oft gesagt, dass der polnische Apfel klein ist und als Industrieware zählt. Aber dafür wird nicht 40 mal im Jahr gespritzt, um „Qualitätsapfel“ zu sein. Inzwischen werden ja verstärkt kleine, unbehandelte Früchte nachgefragt.

Das wird sich wahrscheinlich jetzt, mit dem EU Beitritt ändern. Polnische Bauern werden Beihilfen bekommen.

Jein, etwas werden die Bauern bekommen, aber viel weniger, als die Bauern bisher in den „alten“ Ländern bekamen. Außerdem werden die Beihilfen an die Fläche gebunden und nicht an die Leistung. Die Grundbeihilfe beträgt jetzt 35 Euro pro Jahr und Hektar. Für bestimmte Produktionen kann man bis zum Doppelten bekommen. Also keine umwerfenden Summen. Das sehe ich als eine Chance, dass die Landwirtschaft ihren ökologischen Charakter beibehält. Vielleicht in Verbindung mit Agrotourismus. Es gibt in Polen viele vom Tourismus noch unentdeckte Gebiete, wo man weitab vom Stress Urlaub machen kann. Einigermaßen bekannt ist die Masurische Seenplatte, wo fast bei jedem Hof ein See ist – so ein Familiensee. Außerdem empfehle ich einen Besuch im Urwald von Bialowieza, wo man die Wisente besichtigen kann. Um zu sagen, auch im Agritourismus könnten wir uns an Südtirol ein Beispiel nehmen.
pro dialog