Alexander Langer Alexander Langer Schriften - Alexander Langer Ex-Jugoslawien

Biographie Schriften - Alexander Langer
Albanien Europa Ex-Jugoslawien
Friedenspolitik Grüne Kultur Israel/Palestina Lebensstile Nord/Sud Ost/West Politik Religion Südtirol - Alto Adige Umweltpolitik Zusammenleben
Bibliographie Erinnerungen Nachlass
(22) Cassar-Simma: Trag Sorge - Abbi Cura - Take Care (11)

Was hat die EG in Jugoslawien falsch gemacht?

24.6.1993, Standard, Wien
Solange Jugoslawien als blockfreie Pufferzone zwischen Ost und West als Notwendigkeit empfunden wurde, war die EG großzügig: Kooperation, Finanzprotokolle, Handel sollten die Freundschaft nähren.

Exzesse und Verstöße gegen Menschen- und Volksgruppenrechte beispielsweise seit der Aufhebung der Autonomie des Kosovo und mit der zunehmenden Unterdrükkung der dort lebenden albanischen Bevölkerungsmehrheit wurden ebenso wie groß-serbische Anwandlungen stillschweigend übersehen: galt es doch vor allem, die Einheit Jugoslawiens und die guten Beziehungen zu diesem Staat zu retten. Insofern war allen klar, daß keine Teilrepublik unter Hintergehung Belgrads an den europäischen Gemeinschaftshimmel denken durfte.

Nach dem Ende der Teilung Europas glaubte die EG, Jugoslawien sei nicht mehr so wichtig ein großzügiges und schnelles Sonderangebot an die gesamte damals noch existierende Föderation, in der EG mit einem Sonderstatus das neue, größere gemeinsame Dach zu finden, das in Belgrad zu eng geworden war, hätte vielleicht Nationalitätenhaß, Zerfall und Krieg verhindern können. Und auf der Grundlage eines besonderen und glaubhaften Assoziationsangebotes hätte man wohl auch von der EG her auf eine vernünftige Dezentralisierung, vielleicht eine mehr konföderale Lösung hinwirken können. Was aber prompt unterlas-sen wurde: Belgrad wurde eine Zeitlang einfach weitergestützt und den Jugoslawen Zusammenhalt empfohlen (»glaubt nur ja nicht, daß ihr vereinzelt in die EG kommt!«, bis dann die slowenische und vor allem kroatische Sezession innerhalb der EG offenlegte, was bis dahin unterschwellig schon brodelte. Daß es nämlich eine Gemeinschaftspolitik gar nicht (mehr?) gab, und ein prominenter Partner der Gemeinschaft, das neuv»reinigte Deutschland, gemeinsam mit Papst Wojtyla, Außenminister Mock und dem katholischen Nordostitalien auf deutliche Ermutigung der Abspaltung der nördlichen, katholischen und _europäischen_ Bundesstaaten drängte und dies schließlich auch durchsetzte. Ohne Rücksicht auf die (höchst vorhersehbaren) Folgen und Verluste. Was folgte, war gleichzeitig eine verfehlte Anerkennungs- und eine verfehlte Nichtanerkennungspolitik. Anerkannt wurden, ohne Verhandlungen und Beachtung der Rechte und Ängste der Nachbarn, die neuen Staaten (während man im Baltikum einseitige Anerkennungen ohne Konsens der _Gegenseite_ vermieden hatte!), nicht anerkannt wurden die nicht-nationalistischen zivilen Kräfte der Verständigung und Demokratie.

So schlitterte man weiter, von einer Katastrophe in die andere, nationale Interessen wogen wesentlich stärker als gemeinschaftliche, die Rechnung dafür mußten immer wieder die Menschen im ehemaligen Jugoslawien mit ihrem Blut bezahlen, und schließlich wetteifert die EG die sich in Maastricht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zum Ziel gesetzt hatte mit der UNO um den Primat im Fehlen einer Jugoslawienpolitik. Mittel, sie dann auch durchzusetzen, würde man sowieso nicht mobilisieren. Der Glaubwürdigkeitsverlust vor allem im östlichen Teil Europas ist unermeßlich. Nach dem Golfkrieg war noch die Bestätigung des Versagens der Gemeinschaftspolitik in Europa selbst ausständig jetzt wurde sie nachgeliefert. Ob die EG dies alles selbst überlebt, darf heute mit Recht gefragt werden.
pro dialog