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Zur deutschen Vereinigung

12.7.1990
Erklärung zur Stimmabgabe zum Donnelly-Bericht über die Vereinigung Deutschlands, im Europäischen Parlament, 12. Juli 1990

Gewiß haben sich die beiden grünen Vertreterinnen wacker im Sonderausschuß geschlagen, damit die Stellungnahme des Europäischen Parlaments zum deutschen Vereinigungsprozeß kritisch und nicht einfach der "normativen Kraft des Faktischen" untergeordnet ausfällt.

Trotzdem kann ich schlußendlich mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein und werde mich deshalb der Stimme enthalten, obwohl der Großteil meiner Fraktion dem Donnelly-Bericht mit der positiven Stellungnahme des EP zur deutschen Schnellvereinigung zustimmt.

Zu einseitig deutsch-deutsch, zusehr vergangenheitsbezogen (siehe den Rahmen "2+4"), zu schnell und zu wirtschafts- und DM-orientiert und zusehr NATO-lastig verläuft das deutsche Zusammenwachsen, dem ich im übrigen positiv gegenüberstehe. Auch weil ich es nicht akzeptieren könnte, daß den Deutschen als solchen grundsätzlich mit Mißtrauen begegnet wird. Und so sehr ich es als selbstkritische Haltung zu schätzen und zu würdigen weiß, kann ich es auch nicht einfach übernehmen, daß kritische, demokratische und geschichtsbewußte Deutsche manchmal eine Art Selbstmißtrauen institutionalisiert zu haben scheinen.

Trotzdem aber - hier hätte die Europäische Gemeinschaft und ihr repräsentativstes und demokratischstes Organ, nämlich das Parlament, sich durchaus den Mut leisten dürfen, einen eigenen und wahrhaft europäischen Standpunkt einzunehmen und eine echte europäische Einbindung der Vereinigung beider deutscher Staaten - pardon, der Eingemeindung der DDR durch die BRD - zu fordern und das Fehlen dieser Einbindung offen zu kritisieren. Stattdessen beugt man sich in diesem Bericht der höheren Gewalt dessen, was die Deutschen im Alleingang vollziehen, höchstens noch mit der Moderation durch die Siegermächte des letzten Weltkriegs. Die Veranstaltung, die hier stattfindet, darf nur beklatscht werden, die europäische Teilnahme (der Gemeinschaft, der Nachbarvölker überhaupt, aller Europäer..) an einem Prozeß, der durchaus die positive Aussicht auf eine echte Beendigung des Kalten Kriegs und auf eine friedliche Neuordnung Europas eröffnet, beschränkt sich auf Vollzugshilfe zur Durchsetzung des Gemeinsamen Marktes. Das ist mir zuwenig.
pro dialog