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Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit
1.8.1989, aus einem bisher unveröffentlichten "Südtirol-ABC", August 1988
Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Volksgruppe - verstanden als negative Auszeichnung, als Benachteiligung - ist eine bittere Erfahrung, die in Südtirol auch heute noch zur Alltagserfahrung gehören kann. Und zwar für Menschen aller drei Sprachgruppen, und solcher, die sich keiner der drei zurechnen wollen oder können. Herrschte unter dem Faschismus die legale Diskriminierung der nicht assimilierungswilligen Südtiroler deutscher Muttersprache (sie mußten beispielsweise aus dem öffentlichen Dienst scheiden und wurden vielfältig schikaniert, manchmal auch verfolgt und jedenfalls benachteiligt), spürte man auch nach dem Ende des zweiten Weltkriegs noch zahlreiche Formen von Diskriminierung durch die italienischen Behörden. Nicht nur war die deutsche Sprache als Amtssprache kaum durchzusetzen; auch die Menschen deutscher (und ladinischer) Muttersprache wurden in mehrerer Hinsicht benachteiligt, solange fast alle Macht von italienischen Staatsorganen ausgeübt wurde. Das wirkte sich auf die wirtschaftliche, soziale, kulturelle, rechtliche und politische Situation der Tiroler Minderheit aus, die außerdem noch an den Wunden des Faschismus zu leiden hatte. Erst der zähe Kampf um Rechte und Maßnahmen zur Wiedergutmachung und zum Minderheitenschutz besserten nach und nach die Situation und stellten nicht nur Rechtsgleichheit, sondern auch weitgehend die tatsächliche Chancengleichheit zwischen den Angehörigen der verschiedenen Sprachgruppen her. Mit der Autonomiereform (Paket) wurde im wesentlichen der Ausgleich hergestellt - begann aber auch eine Periode neuer legaler Diskriminierung, die bis heute andauert. Das System der ethnischen Quotenregelung - der sog. ethnische Proporz - bei Vergabe von Beamtenstellen, Sozialleistungen (vor allem Wohnungen) u. dgl. hat nämlich die gesetzlich vorgesehene Diskriminierung eingeführt: die Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe wird ausschlaggebender als Qualifikation oder Bedürftigkeit. Und mehr noch: wer sich bei der Volksgruppenfeststellung in keine der drei legal vorgesehenen Sprachgruppen einordnen läßt, wird überhaupt vom Genuß zahlreicher Rechte (passives Wahlrecht inbegriffen) ausgeschlossen. Das schafft natürlich einige Spannung und böses Blut. Andere legale Diskriminierungen betreffen den Vorrang der ansässigen Bevölkerung bei Arbeitsvermittlung und Vergabe von Sozialwohnungen und die Einschränkung des Wahlrechts auf Bürger, die seit mindestens vier Jahren ansässig sind: Maßnahmen, die vor allem ungebührliche Unterwanderung des Siedlungsgebietes der Tiroler Minderheit verhindern sollen. In allen diesen und noch anderen ähnlich gelagerten Fällen besteht heute in Südtirol eine gesetzlich vorgesehene und geregelte Diskriminierung, gegen die sich vor allem die negativ Betroffenen und etliche um Menschenrechte bekümmerte Gruppen wehren.
Daneben gibt es aber auch zahlreiche Situationen, in denen Diskriminierung nicht von Gesetzen vorgeschrieben und gesteuert wird, sondern Ausdruck offener oder subtiler Willkür ist. Das kann bald die eine, bald die andere Volksgruppe betreffen: beispielsweise wird bei vielen staatlichen Ämtern und Dienststellen nur sehr widerwillig und manchmal überhaupt nicht deutsch gesprochen, und bei manchen lokalen Behörden nur recht ungern das Italienische verwendet. Italienischsprachige Bürger Südtirols spüren Diskriminierung häufig bei Wohnungs- und Arbeitssuche, manchmal auch in Gasthäusern und Geschäften; deutschsprachige eher beim Militär oder im Gefängnis. Dabei kann es sich manchmal um offene Ungleichbehandlung und Benachteiligung, manchmal Errore. L'origine riferimento non è stata trovata. um unfreundliche Bedienung oder Auskunft oder Verweigerung mitmenschlicher Solidarität handeln.
Vor lauter Hervorhebung des Rechtes auf Verschiedenheit finden viele Menschen in Südtirol es eigentlich ganz normal, daß verschiedensprachige Menschen auch verschieden behandelt werden...
Während heute die Diskriminierungen gegen die deutschsprachigen Südtiroler unter dem Faschismus noch in wacher Erinnerung sind, hat man die Diskriminierungen gegen die Nichtoptanten praktisch aus dem Gedächtnis gelöscht - und einen ganz dicken Mantel des Vergessens über die schwere Diskriminierung, Verfolgung und schließlich Verschleppung und vielfach Ermordung der Juden Südtirols gebreitet.