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Julia Leininger - Haiti nach dem Beben Haiti ist ein tief gespaltenes Land

2.7.2011

 

Port-au-Prince: Noch immer müssen viele Haitianer in Zeltstädten leben. „Wir beginnen am Nullpunkt“. So war es nach dem schweren Erdbeben in Haiti überall in den Medien zu lesen. Jede Katastrophe birgt eine Chance und auch für Haiti soll die „Stunde Null“ vom Januar 2010 zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neubeginn führen. Das scheint zumindest die Hoffnung vieler Politiker. Auch der Aktionsplan für Wiederaufbau und Entwicklung, der am 31. März in New York vorgestellt wurde, ist von der Idee eines Neuanfangs getragen. 5,3 Milliarden US-Dollar wollen 60 der anwesenden Staaten für die ersten 18 Monate des Wiederaufbaus bereitstellen. Indes macht sich in der haitianischen Gesellschaft offene Skepsis über einen solchen Neustart breit. Denn die große „Stunde Null“ voller Möglichkeiten wurde in der Geschichte des karibischen Inselstaates sehr oft versprochen. Die politische Elite des Landes und die internationale Staatengemeinschaft, allen voran die USA und Frankreich, haben in den vergangenen zwanzig Jahren nicht nur einmal beschworen, dass sie „dieses Mal“ alles besser machen würden. Sei es während der wackligen demokratischen Neuanfänge 1994 und 2004, sei es bei der missglückten Unterstützung des Landes zu mehr sozioökonomischer Entwicklung.

Das Ausmaß der Katastrophe mit mindestens 250.000 Opfern, fast zwei Millionen Obdachlosen und 320.000 zerstörten Gebäuden stellt eine Ausnahmesituation dar. Und dennoch wäre es falsch anzunehmen, dass tatsächlich die „Stunde Null“ geschlagen hat. Zwar machte das Beben vielerorts die ohnehin spärliche Infrastruktur dem Erdboden gleich. Jedoch überlebten andere Strukturen das Beben, die erst auf den zweiten Blick erkennbar, für den Wiederaufbau aber höchst relevant sind. Diejenigen, die über die Zukunft des Landes entscheiden, bleiben vorerst die gleichen. Alteingesessene politische Konstellationen und bekannte Problemlagen wie massive Ungleichheit, hohe Armut und Arbeitslosigkeit bleiben bestehen. Auch das Konzert internationaler Mächte setzt seinen Reigen um Vormachtstellungen in der westlichen Hemisphäre im Rahmen des haitianischen Wiederaufbaus fort.

So streiten die USA und Brasilien am lautesten um die Führung des internationalen Einsatzes in Haiti. Doch auch Venezuela will mitreden und hat mit 2,1 Milliarden US-Dollar mehr Unterstützung zugesagt als die USA. Spanien nimmt die Katastrophe zum Anlass, um seine bislang eher geringe Rolle in der internationalen Gebergemeinschaft zu stärken. Nur die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die sich Haitis Unabhängigkeit 1825 mit 150 Millionen Francs – dies entspricht heute mit Zinsen und Inflationsausgleich 21 Milliarden US-Dollar – hat bezahlen lassen, hält sich zurück. Die haitianische Regierung läuft so Gefahr, in diesem Machtgerangel marginalisiert zu werden.

Im Aktionsplan für den Wiederaufbau Haitis erhält die haitianische Regierung jedoch eine prominente Rolle. Sie soll „auf dem Fahrersitz Platz nehmen und den Wiederaufbauprozess steuern“, so UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Natürlich kann der Erfolg der zukünftigen Entwicklung Haitis nur gelingen – darüber besteht kein Zweifel –, wenn der Aufbau „von innen“ erfolgt und die haitianische Bevölkerung Eigenverantwortung für ihre Zukunft übernimmt. Die Bevölkerung aber durch einen Staatsapparat vertreten zu lassen, der eher ein Teil des Problems denn als Teil der Lösung gilt, birgt kaum viel versprechende Aussichten.

Auch wenn sich Präsident Préval in der internationalen Gemeinschaft großer Beliebtheit erfreut, hat er in der haitianischen Bevölkerung schon vor dem Erdbeben massiv an Rückhalt verloren. Viele zeigten sich enttäuscht, weil er die notwendigen und versprochenen Reformen nicht energisch genug angeht. Diese Kritik gilt vor allem der tiefen Schneise, die sich durch die haitianische Gesellschaft schlägt und zwei Klassen hervorgebracht hat. Fast drei Viertel der Bevölkerung ist arm und muss von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben. Dabei handelt es sich häufig um Bauern, die sich von der neuen Regierung mehr Land und bessere Lebensbedingungen erwartet haben.

Ihre Forderungen haben eine lange Tradition in der haitianischen Geschichte, die auf ihrem jahrzehntelangen systematischen Ausschluss vom haitianischen Staat fußt. Beispielsweise durch die Gewährung weniger Bürgerrechte für Bauern. Demgegenüber steht eine kleine wirtschaftliche und politische Elite, die die Geschicke des Staates zu ihrem eigenen Wohlbefinden lenkt. Entlang dieser Spaltung zwischen arm und reich blockieren sich die nationalen politischen Kräfte gegenseitig. So wird auch der Regierung Préval unterstellt, dass sie der Opposition die Beteiligung an Wahlen erschwert, um politischen Wettbewerb zu unterbinden. Die Enttäuschung über Préval wuchs nach dem Beben weiter an, da dieser zwei Wochen wartete, bis er sich an das Volk wandte. Damit bestätigte er, was die Mehrheit denkt, dass die haitianische Regierung sich nicht für das Wohl der Allgemeinheit einsetzen würde und unfähig sei, sich nationalen Problemen zu stellen.

Wer auf dem Fahrersitz Platz nimmt, um zu steuern, benötigt erst einmal einen Wagen – also eine verlässliche Infrastruktur, die Tatkraft engagierter Politiker und Verwaltungen sowie den Rückhalt der Bevölkerung. Über all dies verfügte die haitianische Regierung schon vor dem Erdbeben nicht. Wenn sich die Erdbebenkatastrophe dennoch zur Chance entwickeln soll, dann wird, erstens, die internationale Staatengemeinschaft nicht umhinkommen, die haitianische Regierung aufzufordern, einen nationalen Verständigungsprozess anzustoßen, um die tiefe Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und eine inklusive Zukunftsvision für die haitianische Gesellschaft zu entwickeln.

Zweitens muss eine transparente Verwendung der bereitgestellten Mittel gewährleistet werden, um Missbräuche zu vermeiden wie sie in der Nothilfe nach dem Hurrikan Mitch in Zentralamerika zu beobachten waren. Zu diesem Zweck ist die geplante Zusammensetzung der vorübergehend eingesetzten Rekonstruktionskommission aus Vertretern der Geberstaaten und haitianischen Regierung nicht ausreichend. Angesichts der hohen Machtkonzentration in der Regierung, ist eine breitere Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen notwendig.





Quelle: ZEIT ONLINE 11.4.2010 - 17:56 Uhr, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)



Julia Leininger ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AbteilungGovernance, Staatlichkeit, Sicherheitam Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), das weltweit zu den führenden Forschungsinstituten und Thinktanks zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik zählt. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

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