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Peter Holzer - Haiti nach dem Erdbeben 2010

20.6.2011

 

Wir kommen auf dem Landweg von Santo Domingo per Taxi über die völlig unkontrollierte Grenze. Der Flughafen von Haitis Hauptstadt Port au Prince ist noch vom amerikanischen Militär gesperrt. Die Medien haben nicht übertrieben. Die meisten Häuser liegen am Boden, die noch stehen haben beim genauen Hinschauen Risse, die sie unbewohnbar machen.

Die Katastrophe ist zum großen Teil nicht nur der Schwere des Erdbebens sondern auch der miserablen Bauweise der Häuser anzulasten. Ganz einfach zu wenig teurer Zement im Beton. Das Haus, in das wir freundlicherweise aufgenommen wurden, amerikanisch solide gebaut, zeigt kein Risschen, und um uns sind die schweren Betondächer auf haltlosen Stützen einfach zusammengekracht.

Hier wurde ein schon vorher von Misswirtschaft, grausamen Diktatoren und Korruption gebeuteltes Volk völlig zu Boden geworfen. Alle schlafen in Zelten, Planen oder unter freiem Himmel aus Angst vor Nachbeben. Alle paar Tage springe ich bei einem Rumpler aus dem Bett, an der Haustür ist es dann mit klopfendem Herzen schon vorbei. Der abendliche Drink aus heimischem Rum wird immer dünner, man möchte ja nichts Wesentliches verschlafen....

Ich bin wieder einmal für CAP ANAMUR unterwegs, nach Einsätzen in Afrika ist das wohl die schwierigste Mission. Die Vorhut war schon nach 10 Tagen vor Ort mit Medikamenten, Nahrungsmitteln, Generatoren und vielen Infusionsflaschen wegen einer befürchteten Choleraepidemie.

Im teilweise zerstörten Krankenhaus von Petit- Gouave stellen wir Zelte auf und betonieren die Böden um die Betten nicht im Matsch versinken zu lassen. Unser Techniker legt Strom und stützt rissige Decken ab. Wir betreiben die Apotheke, das Labor und die Küche. Vormittags Kinderambulanz im feucht-heissen Zelt, die Hosenbeine sind nach drei Stunden weiß vom salzigen Schweiß. Zwischendurch wird eine Hühnerfamilie verscheucht, der haitianische Kollege weigert sich, ohne Ventilator zu arbeiten.

Eingeprägt hat sich ein 12-jähriger Bub. Er war 3 Tage verschüttet, er sitzt vor mir mit irrendem Blick, er hat die Sprache verloren. Wir sehen schwere Verletzungen, amputierte Gliedmassen, viele Malariafälle.

Nachmittags geht es dann mit dem Pickup in die Zeltstädte. Wir versorgen drei Bereiche mit Plastikplanen und Decken, die Nahrungsmittelverteilung - Reis, Bohnen, Zucker, Salz und Öl - verlegen wir zu unserem Schutz ins Polizeigebäude, UN-Soldaten aus Bangladesh wachen zusätzlich. Wir lassen bis zu 12 m tiefe Latrinen bauen, besonders wichtig für die kommende Regenzeit. Dann noch die fliegende Sprechstunde am Straßenrand oder im freien Feld. drei Stühle, ein Tisch, zwei sorgfältig gepackte Kisten mit Medikamenten und Verbandsmaterial. Was da Schwester Regina unter so manchen Uralt-Binden entdeckt ist eher für abgebrühte Augen... Die Menschen sind am Ende ihrer körperlichen und seelischen Kräfte. Seit zwei Monaten hausen sie im Freien, Sonne und Gewittergüssen ausgesetzt. Sie haben Angehörige verloren. In unserer Stadt wurden von etwa 100 000 Einwohnern 12 000 in einem Massengrab beerdigt. Wir brauchen einen Übersetzer, die kreolische Sprache kommt aus dem Französischen, hat mit ihr aber nicht mehr viel gemein. Leidlich französisch sprechen nur die Wenigen, die das Glück eines Schulbesuchs hatten.

Abends Visite im Zelt. Mit Glück haben wir Licht, falls noch zufällig eine Schwester da ist sind wir hochzufrieden. Die Mütter liegen mit den Kindern im Bett, hier gibt’s halt was zu Essen. Ein rührender Vater hält das Infusions-Beinchen seines Babys. Auf die Frage nach der Mutter erklären uns die Bettnachbarinnen, sie sei beim Erdbeben gestorben. Das Kind ist schwer krank, eine Lungenentzündung, die Haut löst sich ab, wir wissen nicht warum. Möglichkeiten zur Diagnostik wie bei uns gewohnt, gibt es nicht. Ich stecke dem Vater etwas Geld für Essen zu, das Kind bekommt zusätzliche Schmerzmittel. Morgens ist das Bett leer, der Vater ist am frühen Morgen, das tote Baby im Arm, mit dem Motorradtaxi nach Hause gefahren.

Wir gehen in die schon vorher bestehenden Slums rund um das Hospital, helfen einem Pastor, die Latrine für das Viertel fertig zu bauen. Seine Schule für 200 Kinder ist in ziegenstallgroßen Bretterbuden und dem anschließenden Kirchlein untergebracht. Und dafür müssen noch 15 Dollar jährliches Schulgeld bezahlt werden, was viele Familien nicht aufbringen können. Auf meine Bemerkung, bei uns sei die Schule kostenlos, reagiert der Seelenhirte und Schuldirektor erstaunt. Warum denn, in so einem reichen Land wie dem Euren...

Wir sind natürlich nicht die einzigen Helfer. Das spanische Militär räumt auf und hat ein Lazarettschiff vor Anker, wir treffen aus Deutschland vor Ort ADRA und Arche Nova, die hervorragendes Wasser produzieren und die Welthungerhilfe, die mit Jugendlichen Strassen ausbessert und die heimische Milchproduktion ankurbelt.

Was wir noch vorhaben? Neubau einer zusammengestürzten Schule für 350 Kinder bei Schwester Margret und Planung einer Entbindungsstation für einen Ort mit 60 000 Einwohnern. Bei der Geburtenrate sicher lohnend! Ein Bauingenieur aus Deutschland ist gerade ins Team gekommen.

Der Abschied fällt trotz Sehnsucht nach etwas Kühle und Ruhe nicht ganz leicht. Menschen müssen kommen, um dem Land zu helfen, mit versprochenen Milliarden allein wird das Land keine Zukunft haben.

Nachtrag:

Cap Anamur ist seit 1994 im Land und hat vor 4 Jahren eine Schule und Krankenstationen im unzugänglichen Bergland außerhalb des derzeitigen Katastrophengebiets gebaut. Wir konnten uns immer auf die Hilfe der einheimischen Dominikaner-Schwester Dadoue Elane Printemps verlassen, die noch ein Waisenhaus für 15 Kinder unterhielt. Eine tüchtige, tapfere, warmherzige Frau, die wir bei einem Besuch vor Ostern mit dem festen Vorsatz verließen, sie mit ihren Schutzbefohlenen weiter zu unterstützen. Dadoue wurde nach Ostern in Cité Soleil , einem der Slums der Hauptstadt Port au Prince, überfallen, um ihr Auto zu rauben, und sinnlos von gewalttätigen Jugendlichen erschossen. Wir sind tieftraurig und erschüttert. Ihr sei hier ein Denkmal gesetzt.

 

  Peter Holzer ist Allgemein- und Kinderarzt und arbeitet für Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V. Der Verein ist seit 1994 in Haiti tätig und hat auch vor dem Erdbeben mehrmals mit Dadoue Elane Printemps zusammen gearbeitet. In der Region Verrettes hat Cap Anamur eine Schule und mehrere Krankenstationen gebaut.

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