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Ich habe überlebt. Ruanda/Zehn Jahre nach dem Genozid

10.1.2005, GfbV, POGROM 224_2/2004
Zehn Jahre. Für mich ist es nicht, als ob es gestern gewesen wäre. Für mich ist es schon heute. Gestern war 1959. Ich war fünf Jahre alt, als eine Gruppe Männer in unser Haus eingefallen ist, um meinen Vater zu töten. Es waren Freunde, Nachbarn. Ich habe jeden Tag mit ihren Kindern gespielt. Meinen Vater haben sie zu Hause nicht gefunden, also haben sie versucht, meine Mutter zum Reden zu bringen und mir haben sie eine Lanze in das rechte Oberbein gestoßen. Ich konnte nicht verarztet werden, dazu hatten wir kein Recht. Meine Mutter sagte mir, dass wir nicht ins Krankenhaus könnten, dort wären wir umgebracht worden, denn in ganz in Ruanda wurden Tutsi getötet. Ich war bereits kein Kind mehr Der Himmel war mir auf den Kopf gefallen: Es war das erste Mal, dass ich sah, wie meine Mutter angegriffen wurde. Und ich fragte mich, warum die Tutsi getötet wurden.

Was bedeutete es, Tutsi zu sein? Ich habe es zwischen den Schulbänken begriffen. Wir waren alle ruandische Kinder, aber eben verschieden und deshalb Feinde. Es war Scham. Das war gestern. Gestern war, als ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Leiche gesehen habe. Man rief mich Mistkäfer; das ist noch heute so; aber das war gestern. Gestern war, als viele Tutsi nach Bugesera deportiert wurden, so entstand das Dorf Nyarnata. Ja, das ist gestern passiert und das Dossier wird noch immer von den Vereinten Nationen studiert. Aber seit 1994 ist das Problem gelöst, denn der Genozid hat alle eliminiert. Eine natürliche Antwort auf eine unnatürliche Frage, auch wenn ein Teil dieser verdammten Bevölkerung für die Welt bereits an der Schlafkrankheit und am Typhusfieber gestorben war, oder an den wiederholten Massakern, die von den verschiedenen aufeinanderfolgenden Machthabern angeordnet worden waren.

Zehn Jahre sind vergangen. Wir Überlebende des Genozids versuchen noch immer, zu überleben. Die vergewaltigten Frauen sterben noch immer an Aids. Wir überleben in vollständiger Abgeschiedenheit, unter Lebenden leben mir zusammen mit unseren Toten. Die ruandischen Mörder laufen frei in der Welt herum. Dort führen sie ihr Vernichtungsprojekt weiter. Der zehnte Jahrestag des Genozids der Tutsi und jener Hutu, die die Ideologie der Vernichtung ablehnten, ist eine weitere Gelegenheit, die das Leben den Lebenden anbietet, damit sie eine Gewissensprüfung machen. Ein Volk, das seine eigene Vergangenheit vergisst, ist dazu verdammt, diese nochmals durchleben zu müssen. Wir müssen Ruanda wieder aufbauen. Das soziale Gewebe ist zerrissen. Wie kann man eine Frau wieder aufbauen, die ihre eigenen Kinder getötet hat, damit sie nicht in die Hände der Schlächter fallen? Wie soll man einen Waisen wieder aufbauen, der mit ansehen musste, wie die eigene Mutter vergewaltigt und der Vater gedemütigt wurden? Wie kann man einen Überlebenden darum bitten, das Land, die Demokratie und den Frieden wieder aufzubauen, wenn er keine Hände mehr hat? Und doch muss es unweigerlich so sein. Zu einer Bedingung allerdings: alles muss wiederaufgebaut werden, alles, was vor und nach dem Genozid war.

Wir werden lernen, miteinander zu leben und vielleicht werden wir sogar verzeihen können, denn es gibt keine Menschlichkeit ohne Vergebung. Aber es kann keine Vergebung ohne Gerechtigkeit geben, noch kann es Gerechtigkeit ohne Menschlichkeit geben.


10 JAHRE ZU SPÄT

Während die internationale Gemeinschaft des Völkermords in Ruanda gedenkt und es bereut, nichts zur Rettung der Tutsi-Minderheit unternommen zu haben, erreicht der Genozid im Westsudan seinen Höhepunkt. Wieder werden vor aller Augen ungeheuerliche Verbrechen verübt, gegen die sich nur wenige Menschenrechtler und Journalisten engagieren. Es muss sofort eine Intervention von internationalen Friedenstruppen geben, die den Völkermord und die Massenvertreibungen der arabischen Milizen und der sudanesischen Regierungstruppen an den schwarzafrikanischen Völkern der Fur, Masaalit und Zaghawa in Darfur/Westsudan beendet. Auch hier könnte es wie in Ruanda zur schlimmsten Katastrophe kommen: Eine Million Menschen drohen zu verhungern, weil die sudanesische Regierung humanitäres Völkerrecht missachtet und Hunger als Waffe einsetzt. Hunderttausende sind auf der Flucht.

Die GfbV erinnert daran, dass den Feldzügen der Regimes in Khartum in den letzten 40 Jahren 2,5 Millionen Südsudanesen und Nuba zum Opfer gefallen sind.

Nach Einschätzung von UNO;Generalsekretär Kofi Annan könnte ein militärisches Eingreifen des Auslands nötig werden. Annan kritisierte den fehlenden Willen der UNO;Mitgliedsstaaten, gegen Völkermord einzuschreiten. (PE/wm)

Yolande Mukagasana hat den Genozid der ruandischen Tutsi 1994 überlebt. Die Krankenschwester hat in den ersten Tagen der Massaker ihren Mann, ihre drei Kinder und ihren Bruder verloren. Sie selbst überlebte dank einer Hutu;Nachbarin, die sie unter dem Gussstein in der Küche versteckte. Yolan­de Mukagasana erzählt dar­über in ihrem Buch „La mort ne veut pas de moi“.
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