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Der internationale Alexander-Langer-Preis 2008 geht an das Dorf AYUUB in Somalia -Begründung

5.7.2008, Stiftung
Der wissenschaftliche Beirat der Alexander-Langer-Stiftung, besteh­end aus Anna Maria Gentili (Vorsit­zen­de), Andrea Lollini, Anna Bravo (Schriftführerin), Barbara Bertoncin, Edi Rabini, Fabio Levi, Franco Travaglini, Gianni Tamino, Grazia Barbiero, Helmuth Moroder, Liliana Cori, Mao Valpiana, Margit Pieber, Pinuccia Montanari und Ursula Apitzsch, hat beschlossen, im Jahre 2008 den Internationalen Alexander Langer Preis an das Dorf Ayuub in Somalia zu verleihen, in Erinne­rung an dessen Gründerin Maana Suldaan ‘Abirahmaan ‘Ali ‘Iise. Das Preisgeld beträgt 10.000 Euro und wird von der Stiftung Südtiroler Sparkasse zur Verfügung gestellt.

1992, nach dem Zusammenbruch des Regimes von Siad Barre und der darauffolgenden humanitären Krise, waren die Straßen von Merka über­füllt von verlassenen Frauen und Kindern, die vor Krieg und Hunger flohen. Maana Suldaan ‘Abirah­maan, Tochter des letzten Sultans der Stadt, öffnete ihnen die Türen ihres Hauses. Sie kümmerte sich um sie und gab ihnen zu essen. Dabei wurde sie von einer Gruppe somalischer Frauen unterstützt. Um sie herum herrschte das Chaos, ein Staat ohne Regierung und Orientierung, in welchem die Warlords um die Vor­macht­stellung kämpften. Doch Maana lehrt, dass man doch etwas tun kann. Die Urspungsfamilien der verlassenen Kinder wurden gesucht und Waisenkinder an Adoptivmütter in Obhut gegeben. Eine Grundschule und ein Kindergarten mit Ernäh­rungs­zentrum wurden errichtet, in dem 500 Kleinkinder betreut und zum Teil auch medizinisch versorgt werden. In der Ambulanz werden auch endemische Krankheiten be­han­delt und Hebammen helfen bei Geburten mit. Immer mehr Schulen wurden gebaut und eröffnet. 2007 wurden sie von insgesamt 12.215 Schülerinnen und Schülern besucht. 300 km Bewässerungskanäle wurden wieder in Stand gesetzt. Eine NGO und ein Dorf wurden gegründet. Ein Teil Wüste wurde zu einer grünen Oase, mit Gemüsegärten, Blumen, Bäumen und Tieren. Den Namen erhielten die NGO und das Dorf von einem Jungen, Ayuub, Hiob, welcher neben seiner toten Mutter gefunden wurde.

Der Einsatz von Maana be­schränkt sich aber nicht nur auf das Dorf. Sie zeigt auch, dass ein Wie­der­aufbau nicht unbedingt bedeutet, die Aktivitäten der Vergangenheit wieder aufzunehmen und fortzu­füh­ren. Sie pflegt weiterhin die Tradi­tion der familiengebundenen Solida­ri­tät, erneuert sie aber auch grund­sätzlich. Seit sechs Jahren hat das Dorf Ayuub eine demokratische Verwaltung. Damit versucht man, die in der somalischen Gesellschaft tief verankerten Klüfte zwischen Stämmen, Kasten und Geschlechtern zu überbrücken. Dass die Schüler­innen in der Mehrzahl sind, zeigt, um welch innovatives, ja gar revolu­­tionäres Projekt es sich dabei han­delt. 2004, als mit der Bildung eines neuen provisorischen Parlaments die Hoffnung auf Frieden aufkeimte, for­der­te Maana einen stärkeren Frau­en­anteil, der schließlich 12 % er­reichte. Vor allem aber versucht sie durch Aufklärung und intensive Über­zeugungsarbeit die Frauen dazu zu bewegen, dem Brauch der weib­lichen Beschneidung abzuschwören und ihn in ein symbolisches Ritual zu verwandeln, um so die körper­liche Unversehrtheit der Mädchen zu wahren. „Die Frauen sind eine große Ressource, ein Reichtum für Soma­lia“, sagte Maana immer wieder. „Wenn in diesem schwer gebeutelten Land nach vielen Jahren des Krieges das Leben trotzdem weitergeht, so ist es ihnen zu verdanken.“

In ihrem selbstlosen Einsatz wurde Maana von Elio Sommavilla unterstützt. Dieser Trentiner Priester und Professor für Geologie an der Universität Ferrara hat Somalia vor vielen Jahren zu seiner zweiten Heimat auserkoren: ein Land, das Hil­fe braucht, das aber auch respek­tiert werden muss. In diesem Sinne wur­den einfache Projekte zur Was­ser­beschaffung in Angriff genom­men, in denen auch die Umwelt beachtet wurde bzw. wird. Zusam­men mit jungen Somaliern gründete Sommavilla die Vereinigung „Water for life – Acqua per la vita“ mit Sitz in Trient, die zusammen mit den Gemeinden Ferrara, Alessandria und Amelia bedeutende Zusammenarbei­ten in die Wege leitete. „Water for Life“ erhält zwar öffentliche Zuwen­dun­gen, fördert aber gleichzeitig auch Adoptionen auf Distanz und Partnerschaften zwischen insgesamt 26 Schulen in Italien und in Merka. Letztere brachten auch einen regen kulturellen Austausch in Gang, der die somalischen Lehrpersonen und SchülerInnen gleichermaßen dazu animierte, sich ihrer besten künstleri­schen Traditionen zu besinnen. So entstanden im Umkreis der Schulen neue oder wieder ins Leben gerufene Musik-, Tanz-, Theater- und Sport­gruppen sowie Handwerksstätten, die ihre Kunstgegenstände in den Part­nerschulen verkaufen. Die Schul­­kinder auf italienischer Seite schic­ken ihrerseits Briefe, Video­kas­setten und kleine Geldsummen, die sie ansparen, indem sie sich zuhause nützlich machen und jegliche Ver­schwen­dung vermeiden. Maana lehrt, dass jede einzelne Person aktiv bei­tra­gen kann und soll. Maana, Frau, Somalierin, Moslemin und Elio Sommavilla, Europäer, Mann, katholischer Priester zeigen, dass man(n/frau) zusammenarbeiten kann ohne sich selbst oder seine eigene Identität aufgeben zu müssen.

Am 14. Dezember 2007 ist Maana im Alter von nur 54 Jahren plötzlich verstorben. Ihre Mitarbeiter finden keine Ruhe: „Es war nicht ihre selbstlose und unermüdliche Arbeit rund um die Uhr, die sie das Leben kostete, sondern ihre Sorge wegen der laufenden Ankunft immer neuer Flüchtlinge aus Mogadischu.“

Aber Ayuub bleibt. Die Vergabe des Preises an das Dorf Ayuub ist für die Alexander-Langer-Stiftung eine Möglichkeit, die Arbeit und das Lebenswerk von Maana Suldaan ‘Abi­rah­maan zu ehren, ihren Freun­den und MitarbeiterInnen nahe zu sein, sie zur Weiterführung der bis­herigen Tätigkeiten zu ermutigen und sie darin zu unterstützen.

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